Wenn du mit Diabetes lebst und täglich die Arbeit deiner arbeitsunwilligen Betazellen übernimmst, hast du es nicht immer leicht. Dabei wirst du auch noch auf Schritt und Tritt bewertet: Entweder bist ein “guter Diabetiker”, der sich um „optimale Kontrolle“ bemüht. Oder du giltst als „nicht therapietreu“ oder „schlecht eingestellt“. Aber müssen solche Ausdrücke eigentlich sein?
Geht es auch anders?
Dass es auch anders geht, zeigt ein umfassender Leitfaden des NHS, des staatlichen Gesundheitswesens in Großbritannien. Er zielt darauf ab, das Personal in Diabetespraxen für die Bedeutung von Sprache zu sensibilisieren und die typische Diabetes-Sprache zu verändern. An der Erarbeitung des Leitfadens waren Menschen mit Diabetes und andere Akteure in der Diabetesszene beteiligt. In dem fertigen Leitfaden heißt es u. a.: „Es ist Sache der betroffenenen Person selbst, wie sie angesprochen, unterstützt und verstanden werden möchten. Angehörige der Gesundheitsberufe sollten darauf achten, ihnen selbst diese Wahl zu überlassen und sie nicht etwa vorab für sie zu treffen.“
Hilfreiche Hinweise statt Schulnoten
Meine Haltung gegenüber meinem eigenen Diabetes änderte sich ungefähr im Jahr 2015, und zwar durch den Einfluss der Diabetes-Community. In dieser Zeit begann ich, Kontakte zu anderen Menschen mit Diabetes aus aller Welt zu knüpfen. In meinen Gesprächen mit ihnen – insbesondere mit der australischen Bloggerin Renza Scibilia – wurde mir immer mehr bewusst, welche Rolle Sprache im Umgang mit Diabetes spielt. Ich begriff, dass es einen Unterschied macht, ob ich meine Blutzuckerwerte als „gut“ oder „schlecht“ bezeichne oder ob ich sie einfach als Zahlen begreife. Zahlen, die mir Hinweise darauf geben, was ich als nächstes tun sollte. Vielleicht sollte ich meine Basalrate anpassen. Oder eine Runde um den Block spazieren. Unter Umständen war es doch keine so gute Idee, für den Keks mehr Insulin abzugeben. Der Wert ist ein bisschen hoch – aber ich habe ja auch besondere Pläne in den nächsten Stunden…
Solchen Gedanken wird man nicht gerecht, wenn man seine Blutzuckerwerte als „gut“ oder „schlecht“ einordnet. Diese Werte sollten sich nicht wie Schulnoten anfühlen, für die wir alleine verantwortlich sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch du alles Erdenkliche tust um deine Blutzuckerwerte im Zielbereich zu halten. Doch selbst wenn das fünfmal hintereinander nicht klappt, hast du das ja nicht mit Absicht gemacht – und solltest deshalb auch nicht das Gefühl haben, dass du für deine Leistung eine schlechte Schulnote verdienst.
Deshalb versuch doch einfach mal, deine Blutzuckerwerte nicht als „Note“ für eine Leistung zu betrachten. Stattdessen betrachte sie lieber als eine Information, die dir dabei helfen kann, deine nächsten Schritte zu planen. Vergiss dabei aber auch nicht, dass in der Zukunft nicht alles immer genauso klappt wie in der Vergangenheit.
Ich bin nicht meine Krankheit
Die Online-Community hat mich außerdem dazu gebracht, mich selbst nicht mehr als „Diabetiker“ zu sehen. Ich habe zwar Diabetes, aber ich bin Sebastiaan. Ein Mensch. Ein Mensch mit Diabetes, ja, aber ich bin nicht meine Krankheit.
Ich bin stolz darauf, dass wir in der Kaleido-Zentrale auf sensible Diabetes-Sprache achten. Allen Kollegen wird von Beginn vermittelt, dass das ein wirklich wichtiger Punkt ist. Egal ob jemand wie ich im Kundendienst oder ganz oben in der Geschäftsführung arbeitet. Unsere Kaleidoer sind unsere Kunden an und nennen sie ganz bewusst nicht Patientinnen und Patienten. Wir sind schließlich kein Krankenhaus, das Patientinnen und Patienten betreut. Wir sind weder Ärzte noch Pflegekräfte, sondern wir sind Sebastiaan und Nici vom Kundendienst. Unser Job ist es dir zu helfen, wenn etwas Unvorhergesehenes mit deiner Kaleido passiert.
Ich habe den Begriff „Patient“ einmal im Duden nachgeschlagen. Darin heißt es, ein Patient sei eine „von einem Arzt, einer Ärztin oder einem Angehörigen anderer Heilberufe behandelte oder betreute Person”. Natürlich nutzen die Menschen, die bei uns im Kundendienst anrufen, unsere Medizinprodukte. Allerdings macht sie das noch lange nicht zu unseren Patientinnen und Patienten.
Kaleido achtet auf sensible Diabetes-Sprache
Egal, ob du eine Diabetesberaterin bist, die Kaleido verschreibt, ob du selbst eine Kaleido trägst oder Familienmitglied eines Menschen mit Diabetes bist – wir achten auf sensible Diabetes-Sprache! Die oben genannten Beispiele stammen aus meinem eigenen Diabetes-Leben. Nach 15 Jahren mit Diabetes könnte ich unzählige weitere aufzählen. Stattdessen möchte ich dich lieber ermuntern, dir einmal den erwähnten englischen Leitfaden “Language Matters” anzuschauen. Darin findest du viele Beispiele, Informationen, weitere Leseempfehlungen und auch Tipps, wie man diskriminierende Ausdrücke vermeiden kann. Zum Beispiel, indem man nicht einen Diabetestypen als “den schlimmen Diabetes” bezeichnet und so alle positiven Aspekte aus dem Blick verliert. Dabei ist es doch immer das Beste, sich auf das Positive zu konzentrieren, oder etwa nicht?
Wenn du intensiver in das Thema “sensible Diabetes-Sprache” einsteigen möchtest, empfehle ich dir diese Studie von 2017 und vor allem Renzas Blog. Inzwischen haben aber auch ein paar deutschsprachige Bloggerinnen etwas zu dem Thema beigetragen, zum Beispiel Antje Thiel, Tine Trommer und Steffie Haack.
Über Sebastiaan
Sebastiaan ist 24 Jahre alt und hat Diabetes Typ 1 seit er 10 Jahre alt ist. Nachdem er sein Studium in Ernährung und Gesundheit erfolgreich abgeschlossen hat, war für ihn schnell klar, dass er seine eigene Erfahrungen mit Diabetes nutzen will, um anderen zu helfen. So ist er Support Specialist bei Kaleido geworden. Sebas ist Kaffeeliebhaber, stolzer Katzen-Papa, liebt gutes Essen und „sammelt“ traditionelle Tattoos. Außerdem findet man ihn fast jeden Tag in seinem Heim-Fitnessstudio beim Gewichtheben.