24 September 2020

Danke, Diabetes, für meine Diabuddies!

Es gibt wohl kaum etwas, das einem so gut wie eine Pandemie vor Augen führt, was oder vielmehr wer einem im Leben wirklich wichtig ist. Wenn ich über diese Dinge nachdenke, empfinde ich früher oder später große Dankbarkeit für meine Freundschaften.

Neulich habe ich mich daran erinnert, wer mich überhaupt mit der Diabetes- Community in Kontakt gebracht hat. Es war eine Freundschaft, die mit Diabetes überhaupt nichts zu tun hat. Eine Freundschaft, über die ich zurzeit viel nachdenke und die ich täglich vermisse. Es fühlt sich seltsam an, eine Freundin um ihr Leben kämpfen zu sehen, wenn im eigenen Leben schon so lange so vieles statisch und unverändert scheint. So etwas verändert die Perspektive und den Blickwinkel – und es kann einem einen gehörigen Tritt in den Allerwertesten verpassen, die sprichwörtlichen Zitronen des Lebens endlich zu Margaritas zu verarbeiten! Für mich bestand dieser Tritt darin, endlich zu kapieren, dass es in meinem Leben ebenfalls gesundheitliche Baustellen gibt, denen ich mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Der Kampf meiner Freundin gegen ihren Hirntumor brachte mich also dazu, Leerstellen im “Team Nikis Diabetes” zu besetzen.

Ein gutes Diabetesteam, geeignete Diabetestechnologie und Schulung zu finden, war die eine Sache. Daneben wurde mir aber auch klar, dass mir auch der Austausch mit anderen Typ-Einsern fehlte. Vor meiner ersten Schulung zum Thema “Kohlenhydrate berechnen” hatte ich noch nie zuvor einen anderen Menschen getroffen, der meinen Typ-1-Diabetes verstanden hätte, ohne dass ich große Worte darüber verlieren musste. Ich freundete mich mit einer anderen Frau mit Typ-1-Diabetes an, mit der mich außerdem mein Kinderwunsch und meine Liebe zu Cornwall verbanden. Diese Verbindung war ein wichtiger Meilenstein in meinem Leben. Denn zum einen weckte sie in mir den Wunsch, mehr Menschen aus dem “Club der pankreatisch Benachteiligten” kennen zu lernen. Und zum anderen markiert sie den Beginn meines Weges, auf dem ich letztlich auch meinen Ehemann Matt kennen lernte.


Leider konnte mir mein Diabetesteam keine geeigneten Selbsthilfegruppen in meiner Gegend nennen. Doch zum Glück wurde ich via Twitter auf die Diabetes Online Community (#DOC) aufmerksam, die mich schnell willkommen hieß. Hier erhielt ich schnell Unterstützung und konnte auch welche zurückgeben: Hilfe und Verständnis unter Menschen mit allen Diabetestypen, aus allen Ecken der Welt. Ich verbrachte eine Menge Zeit damit, mit ihnen zu chatten, und es fühlte sich nie wie eine bloße Cyber-Verbindung an. Im Gegenteil: Die Freundschaften, die sich hier entwickelten, fühlten sich sehr real und zuverlässig an. Ich entwickelte mehr Selbstbewusstsein in Bezug auf meinen Diabetes. Es fiel mir leichter, meine Bedürfnisse auch gegenüber Menschen ohne Diabetes auszudrücken. Ich fühlte mich bestärkt, aktiv die bestmögliche Versorgung für meinen Diabetes einzufordern, damit ich gut mit meinem Typ-1-Diabetes leben kann. Denn genau das lebten die anderen Menschen in der DOC mir vor.

Unmittelbar nachdem ich die DOC für mich entdeckt hatte, schloss ich Freundschaften mit Menschen, die mir das Gefühl vermittelten, dass wir uns schon seit Jahren kennen. Seelenverwandte, die dieselben oder ähnliche Erfahrungen gesammelt hatten wie ich und diese sogar in Worte fassen konnten. Ich verstand, dass ich schon eine Million Burnouts hinter mir hatte, dass ich mehr als einmal hart an der Grenze zur Diabulimie entlanggetaumelt war und mich häufiger geschlagen gegeben hatte als ich es zugeben möchte. Ganz zu schweigen von den unberechenbaren Blutzuckerwerten zu bestimmten Tagen im Monat, die einfach nur damit zu tun hatten, dass sich alle Hormone meines Körpers auf einmal zur Party verabredet hatten! So viele zuvor unerklärliche Dinge ergaben auf einmal einen Sinn. Mit diesem neuen Wissen und Verständnis fühlte ich mich weniger als Diabetikerin und stattdessen mehr als Mensch mit Diabetes. Alles dank meiner neuen Freundschaften.

Nichts davon wäre ohne sie möglich gewesen. Ihr könnt euch daher vermutlich vorstellen, wie aufgeregt ich war, als wir begannen, persönliche Treffen abseits der sozialen Medien zu verabreden. Ich hatte Sorge, dass meine Online-Freundschaften sich nicht ins “echte” Leben würden übertragen lassen. Ich fürchtete, dass auf einmal alles anders sein würde. Zum Glück ist dergleichen noch nie passiert. Jede einzelne Person, die ich bis dato getroffen habe, war im realen Leben genauso wie online – und andere sagen über mich dasselbe.

Aus manchen dieser Freundschaften sind sehr enge und wertvolle Verbindungen geworden, mit denen ich viele wichtige Ereignisse auf meinem Lebensweg geteilt habe. Wir haben gemeinsam gefeiert und einander getröstet, je nachdem. Manche meiner Diabuddies waren zu Gast bei meiner Hochzeit, haben mich durch meine beiden Schwangerschaften begleitet und sind Paten meiner Kinder. Ganz ehrlich? Ohne sie wäre dieses Jahr allein als Schwangere inmitten einer Pandemie mir deutlich schwerer gefallen. Ich bin ihnen dankbarer als ich es mit Worten zu sagen vermag. Ich hoffe, dass sie allesamt wissen, wie wichtig und besonders sie für mich sind.

Viele von uns denken zu oft an all das, was der Diabetes uns weggenommen hat. Doch mir hat der Diabetes Freundschaften geschenkt, wie ich sie mir nicht hätte erträumen können.

Danke für meine Diabuddies, Diabetes!

Über Niki
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Niki ist liebevolle Mutter von zwei Kindern, und Frau von Matt und seit 2001 Chefin ihres Typ-1-Diabetes. Wenn sie nicht gerade mit ihrer Familie zusammen ist, oder arbeitet, findet man sie auf ihrem Blog whatnikidididnext.wordpress.com, in dem sie über ihr Leben mit T1D schreibt. Niki recherchiert auch leidenschaftlich gerne über Diabetes und wie man ein gutes Leben damit führt.