Am 8. Februar 2013 landete ich mit einer diabetischen Ketoazidose im Krankenhaus, nachdem ich meine Symptome gegoogelt (es lebe Dr. Google!) und meinen Blutzuckerspiegel in einer örtlichen Apotheke überprüfen lassen hatte (wo mir das Messgerät sehr nett ‚HI‘ anzeigte). Und obwohl ich 23 Jahre lang ohne Diabetes gelebt habe, fällt es mir manchmal schwer, mir ein Leben ohne Diabetes vorzustellen – weil er ein so kontinuierlicher und dauerhafter Bestandteil meines Lebens geworden ist. Und auch, weil er mir viel Gutes gebracht hat.
In diesen 7 Jahren gab es schlechte Zeiten, aber auch gute Zeiten – Höhen und Tiefen, genau wie bei Diabetes. Ich habe bemerkenswerte Menschen getroffen und aus ihren (und meinen eigenen) Erfahrungen gelernt – und das tue ich immer noch. Für diejenigen unter euch, die gerade die Diagnose erhalten haben oder es einfach noch einmal hören wollen: Diese 7 Dinge habe ich in 7 Jahren mit Typ-1-Diabetes gelernt.
1. Es ist nicht meine Schuld.
Das klingt so einfach. Natürlich ist es nicht meine Schuld, dass ich Diabetes habe. Aber es ist auch nicht meine Schuld, wenn ich ein Stück Kuchen esse, die Kohlenhydrate falsch berechne und am Ende einen Blutzucker von 250 mg/dl habe. Shit happens – daran ist niemand schuld.
2. Ich muss nicht perfekt sein.
Ich hätte gerne, dass meine Werte 90 % der Zeit im Zielbereich liegen. Aber „perfekt“ zu sein, wenn es um meinen BZ geht, bedeutet, dass ich andere Dinge aufgeben muss. Wie spontan sein, Schokolade essen, lange Wanderungen machen und Rotwein trinken. Und das ist es einfach nicht wert, zumindest nicht für mich.
3. Life happens.
Das steht in engem Zusammenhang mit 1. und 2. Denn so ist das Leben. Heute mache ich vielleicht spontan eine Fahrradtour. Morgen spielen meine Hormone verrückt. Und manchmal will ich vielleicht einfach nur ein fettes Stück Kuchen essen. Das kann man unmöglich alles einplanen und man sollte sich für nichts davon die Schuld geben.
4. Diabetes bleibt.
Als ich für JDRF arbeitete, vor allem in den ersten Jahren, war ich von den neuen Entwicklungen total begeistert. Und das bin ich immer noch – versteht mich nicht falsch. Ich kann es kaum erwarten, mit Kaleido zu loopen, meinen Bolus über’s Handy abzugeben und die Nacht durchzuschlafen, weil ein Algorithmus das möglich macht. Aber ich habe auch erkannt, dass man für Diabetes nicht alles aufgeben darf, weil er ja schließlich dein ständiger Begleiter ist. Es ist nicht so, als wenn man während der Schwangerschaft aufhört, Alkohol zu trinken oder Rohmilchkäse zu essen. Diabetes bleibt (zumindest noch für eine längere Zeit), also muss man einen Weg finden, der für einen funktioniert.
5. Ich kann alles sein, was ich will.
Weltreisender, James Bond (ein absolutes JA zu James Norton!), Geschäftsführer, Profi-Fußballspieler, Mutter (oder Vater), Unternehmer, Produktmarketing-Manager (in meinem Fall), Arzt oder was auch immer du sonst sein willst. Ich sage nicht, dass es einfach sein wird, aber was ist schon einfach?
6. Traubenzucker sind doof. Und Glukosegels auch.
Ich glaube, ich habe die ersten zwei bis drei Jahre nach der Diagnose damit verbracht, verzweifelt Traubenzuckerzu kaufen, wann immer es ihn günstig gab. Sieben Jahre später steht er nur noch neben meinem Bett, falls ich mich zu schlecht fühle, um aufzustehen. Wenn ich irgendwie in der Lage bin, aufzustehen und mir etwas zu holen, das gegen meine Unterzuckerung hilft, dann bleibt der Traubenzucker in der Schublade. Mir sind holländische Karamellwaffeln, Gummibärchen oder Rosinen lieber. Ich würde praktisch alles essen, was Kohlenhydrate enthält außer Traubenzucker oder Glukosegels.
7. Technologie kann einem im Stich lassen.
Versteht mich nicht falsch: Ich liebe Kaleido und ich liebe Technologie. Dieses winzige Ding, das mein Insulin abgibt – einfach genial. Dass ich meine BZ-Daten auf meinem Handy und meiner Uhr sehen kann, ist fantastisch. Ich liebe die Farben und wie ich mein Basalprofil anpassen oder einen verzögerten Bolus abgeben kann, wenn ich verrückte Sachen machen will. Oder, wenn ich in den Supermarkt gehen oder Sushi essen will. Aber es ist Technologie. Wenn man am Wochenende wegfährt und ein Sensor ausfällt, ist man auf die guten alten Teststreifen angewiesen. Wenn man sein Handset auf den Boden fallen lässt und das Glas zu Bruch geht, dann muss man sich halt was anderes einfallen lassen. Technologie wird immer etwas sein, das kaputt gehen kann. Stellt also sicher, dass ihr einen Pen mit kurzwirkendem Insulin habt, und nehmt ihn mit, wenn ihr für längere Zeit verreist. Seid klug und schützt euch.
Und zum Abschluss: ein großes Dankeschön.
An alles und jeden, der mir in den letzten 7 Jahren das Leben leichter gemacht hat. Danke an alle, die mir Süßigkeiten aus einem anderen Land mitbringen, weil sie bei Hypos fantastisch sind. Die Geduld haben bei Wanderungen oder Besprechungen, wenn ich unterzuckert bin. Ein Hoch auf die Technologien, die mir helfen, mein Leben nach meinen eigenen Regeln zu leben, und auf die Tasche, die perfekt zu all meinen Vorräten passt. Vielen Dank für all die beruhigende Worte, dass es in Ordnung ist und dass es nicht meine Schuld ist, indem man mich über diese Tiefs und Hochs schimpfen lässt (und ebenfalls schimpft). Und nun auf zu den nächsten 7 Jahren (oder 70, hoffentlich)…
Über Veerle
Mein Name ist Veerle, ich bin 30 Jahre jung (oder alt, wie man es sieht ;-)) und seit 2013 gehöre ich zur „Gemeinschaft“ von Menschen mit Typ-1-Diabetes. Abgesehen davon, dass Diabetes ein (notwendiger) Teil meines Privatlebens ist, habe ich mich auch dafür entschieden, in der Diabetesbranche zu arbeiten. Für 4,5 Jahre habe ich bei JDRF in den Niederlanden als Kommunikations- und Projektkoordinatorin gearbeitet, und seit August 2018 arbeite ich für ViCentra, das Unternehmen hinter Kaleido. Ich habe während meiner Diabetes-Karriere mehrere Insulinpumpen ausprobiert (und wieder aussortiert) und bin derzeit untrennbar mit meiner Kaleido verbunden.