Wenn man Diabetes hat, ist man im Grunde genommen ein wandelndes Informationsblatt. Vor allem wenn die Pumpe und die Sensoren am Körper hängen oder man während der Zugfahrt spritzen muss, kann man sich den neugierigen Blicken seines Umfelds nicht entziehen. Ich verstehe, dass es für andere Menschen interessant ist. Die Diabetes-Technologie ist modern, innovativ und kann manchmal sogar trendy sein. Heutzutage sehen Insulin-Pens eher wie aufgepeppte Luxus-Füller aus, und ich bin überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis auch Pumpen zu einem trendigen „Accessoire“ werden.
Doch mit der Sichtbarkeit und Modernität all dieser High-Tech-Gadgets gibt es auch mehr Kommentare und vorgefasste Meinungen. Ein echter Klassiker, der jedem Menschen mit Diabetes schon tausendmal gestellt wurde, ist die Frage „Darfst du das überhaupt essen?“ Normalerweise antworte ich nur mit der Standarderklärung über Kohlenhydrate und Insulin, während ich mir vorstelle, dass ich mir direkt vor ihren Augen eine Schokoladentafel in den Mund schiebe. Ich ärgere mich auch so sehr, wenn man mir diese zuckerfreien Backwaren schenkt. Habt ihr eine Ahnung, wie ekelhaft diese Dinger sind?
Eine andere Bemerkung, die man immer wieder hört, ist: „Igitt, ist das eine Nadel? Ich könnte mir niemals selbst eine Spritze geben!“ Das geht mir immer auf die Nerven. Mir selbst Insulin zu spritzen, ist auch nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung. Ich tue das nicht aus Spaß, aber wenn ich es nicht tue, könnte ich daran leider sterben. Die nackte Wahrheit ist also, dass es für mich einfach Teil meines Lebens ist.. Und nein, es ist auch nicht tragisch, denn mein Leben ist immer noch ziemlich großartig.
Aber weil mein Leben so großartig ist, neigen die Menschen dazu, den Ernst dieser lebenslangen Erkrankung zu vergessen. Oft denken sie, man spritzt sich nur ab und zu etwas Insulin oder trägt eine Pumpe mit sich herum – und das war’s. Als ob! Diese Pumpen arbeiten nicht automatisch, und jede Injektion muss vorbereitet werden. Es ist ein ständiger Balanceakt, den ganzen Tag über – und ich sage euch, es macht keinen Spaß. Der ständige Gedanke an Essen, an Blut, das aus der Fingerspitze tropft, an Unter- und Überzuckerung und an Komplikationen ist kein Vergnügen.
Aber trotz alldem sollte man nicht vergessen, dass das Leben mit Diabetes auch eine positive Seite hat. Die Diabetes-Community ist ein Netzwerk von großartigen Menschen, durch das ich viele neue Freunde gewonnen habe. „Krank“ zu sein, ist eine Erfahrung, die mich auch gelehrt hat, nicht voreingenommen zu sein und mich in andere hineinzuversetzen. Das mag alles ein bisschen sentimental klingen, aber es enthält ein Fünkchen Wahrheit. Trotz der Nadeln, der Injektionen, der ständigen Gedanken an Essen und der Geräte, die mit deinem Körper verbunden sind, kann man ein großartiges Leben mit Diabetes führen.
Über Anner
Mein Name ist Anne. Ich bin 19 Jahre alt und studiere Gesundheitswissenschaften in Maastricht, einer der pulsierendsten Städte in den Niederlanden. 2016 wurde bei mir Typ-1-Diabetes diagnostiziert, und seit diesem Moment schreibe ich darüber. Ich bin Vorsitzende der Stichting ééndiabetes, einer Stiftung mit Sitz in den Niederlanden, die junge Menschen mit Typ-1-Diabetes dazu ermutigt, ein erfülltes Leben zu führen und positiv zu denken. Ich habe über zwei Jahre lang Insulin-Pens verwendet und bin vor einigen Monaten auf die Kaleido-Insulinpumpe umgestiegen. Neben all meinen Aktivitäten im Zusammenhang mit Diabetes mache ich auch gerne Musik und spiele Volleyball.